Obdach- und Wohnungslosigkeit im EN-Kreis 8. November 2024 Themenabend: Im Gespräch mit Holger Brandenburg und Rüdiger Wackwitz vom Obdachlosenhilfe-Verein Unsichtbar e.V. Obdach- und Wohnungslosigkeit im EN-Kreis war das Thema in unserem Grünen Büro am gestrigen Abend, den 07.11.2024. Zu Gast bei uns waren Herr Holger Brandenburg (Gründer und Vorsitzender) und Herr Rüdiger Wackwitz vom Obdachlosenhilfe-Verein Unsichtbar e.V.. Der aus Spenden getragene Verein, hat knapp 50 Mitglieder, wird kommendes Jahr 10 Jahre alt und gewann 2023 den Friedenspreis der Stadt Ennepetal. Mit viel Humor und klaren Worten beschreiben Holger und Rüdiger ihre Arbeit und ließen uns an einigen Schicksalen jener Menschen teil haben, denen sie auf den Straßen begegnen. „Wir könnten uns als – Helfer in der Nacht – bezeichnen. Wir sind keine Streetworker, keine Kleiderkammer oder Suppenküche. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Obdachlose durch die kalten Nächte, insbesondere in den Wintermonaten zu bringen. Klar, haben wir auch mal eine 5-Minuten Terrine oder ähnliches dabei. Doch eine dicke Jacke, Thermounterwäsche und insbesondere wintertaugliche Schuhe sind die (über)lebenswichtigen Grundlagen, damit ein Mensch bei Temperaturen unter 10 Grad durch die Nacht kommt“ sagt Holger Brandenburg. Daher ist die Arbeit der UNSICHTBAR e. V. eine für waschechte Nachteulen. Bis 5:00 Uhr morgens wird in Teams im Ennepe-Ruhr-Kreis, Hagen und Wuppertal nach Menschen Ausschau gehalten, die eine harte Nacht vor sich haben. Nicht selten sind die Helfer*innen, so ganz nebenbei, das berühmte offene Ohr. Zuwendung und Empathie werden von den hilfsbedürftigen Menschen ebenso gerne angenommen, wie ein warmer Schlafsack. Im Gespräch machen Rüdiger und Holger eines ganz deutlich: Die Situation der Wohnungslosigkeit wird sich in den nächsten Jahren durch Zuwanderung und durch die zunehmende Verarmung der „Mittelschicht“ und „Unterschicht“ in Deutschland gravierend verschlimmern. Zudem gibt es enorme Differenzen zwischen der offiziellen Anzahl obdachloser Menschen in Deutschland und der Realität. Als Beispiel: Köln hat offiziell 80 Obdachlose. Lokale Vereine zählen 800. Bundesweit gibt es offiziell 630.000 Wohnungslose, davon 50.000 Obdachlose – die Differenzierung zwischen Wohnungs- und Obdachlosigkeit wird hier leider zu selten verdeutlicht – Dunkelziffer: In Wirklichkeit sind die Zahlen bis zu 3x so hoch. Wege in die Obdachlosigkeit gibt es viele, so Rüdiger Wackwitz. Sie sind so individuell wie die Menschen, die diese gehen. Frauen, Männer, Alt und Jung – Schicksalsschläge können jeden ereilen. Es gibt allerdings eine grobe Faustregel. Finden Menschen nach 3-6 Monaten nicht selbstständig von der Straße zurück in das gesellschaftliche Leben, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass dies auch nie mehr geschehen wird. UNSICHTBAR e. V. hat auch noch einige andere Projekte ins Leben gerufen, unter anderem das Projekt: „Würde Wahren!“ Hier wird sich gegen den Gebrauch von Video- und Fotomaterial von Obdachlosen stark gemacht. Schlafplätze sollen nicht veröffentlicht werden. Rüdiger Wackwitz hierzu: Der Platz unter einer Brücke ist für den Obdachlosen das, was für euch eure Wohnung ist. Ein Rückzugsort, Schlafzimmer, Küche und Bad zugleich, ein „Privatbereich“. Auch sollen Obdachlose nicht in menschenunwürdigen Situationen gefilmt werden. Das Projekt dient der „Opfervermeidung“ und insbesondere der Sensibilisierung. Gerade auf Social-Media und unter Jugendlichen kann ein deutlicher Appell an die Menschlichkeit nicht laut genug sein. Gewalt gegen Obdachlose ist hier das Kernproblem. Holger und Rüdiger erzählen uns, dass Erhebungen vom April 2024 gezeigt haben, dass diese Gewalttaten in den letzten 5 Jahren um 30% zugenommen haben. Auch sexuelle Übergriffe, gerade auf obdachlose Frauen, nehmen stark zu. „Sex für Wohnen“ ist da vermutlich noch eine der „weniger schlimmen“ Situationen, denen sich Frauen die ohne Obdach sind, in diesem Zusammenhang ausgesetzt sehen. „Herz ein, Augen auf!“ steht auf dem Flyer der UNSICHTBAR e. V., der an diesem Abend auf unserem Tisch im Grünen Büro liegt. Nach dem Gespräch ist uns auch klar, warum. Danke für den absolut spannenden Abend und einen Einblick in eine Welt, die wir alle kennen, aber nur aus dem Augenwinkel. Also: Hinschauen – Nicht wegschauen!