Grundsteuererhöhung? Hebesatz? Aufkommensneutral? Wir klären auf!

Q&A zur Festlegung der Grundsteuerhebesätze 2025 und zur Grundsteuerreform

Aktuell stellen sich viele Fragen zur Festlegung der Grundsteuerhebesätze 2025 durch den bevorstehenden Beschluss des städtischen Doppelhaushalts 2025/2026 am 12.12.2024 im Rat der Stadt Sprockhövel.

Ab dem 01.01.2025 wirkt sich zudem erstmals die Grundsteuerreform aus.

Wir GRÜNEN Sprockhövel möchten an dieser Stelle umfassend über das Thema informieren.

Was ist die Grundsteuer?

Die Grundsteuer wird auf den Grundbesitz erhoben.

Hierzu gehören Grundstücke einschließlich der Gebäude sowie Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Gezahlt wird sie grundsätzlich von den Eigentümer*innen.

Im Fall der Vermietung kann die Grundsteuer gemäß den geltenden zivilrechtlichen Bestimmungen über die Betriebskosten auf die Mieter*innen umgelegt werden.[1]


[1] Quelle: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/faq-die-neue-grundsteuer.html, 1.1 Was ist die Grundsteuer? (Stand: 27.05.2024)

Wem stehen die Grundsteuereinnahmen zu?

Die durch die Grundsteuer erzielten Einnahmen fließen ausschließlich den Städten und Gemeinden zu.

Derzeit sind es über 15 Milliarden Euro jährlich. Damit zählt die Grundsteuer zu den wichtigsten Einnahmequellen der Städte und Gemeinden. Diese Mittel benötigen die Städte und Gemeinden, um damit Schulen, Kitas, Schwimmbäder oder Büchereien zu finanzieren und wichtige Investitionen in die örtliche Infrastruktur wie Straßen, Radwege oder Brücken vorzunehmen.[1]

In Sprockhövel betrugen laut dem letzten veröffentlichten Jahresabschluss 2022 die Grundsteuereinnahmen ca. 6,6 Millionen Euro und damit gerundet ca.10% des Gesamtbetrages der Erträge des städtischen Haushalts von ca. 70,9 Millionen Euro.[2] In den Vorjahren zeigte sich jeweils ein vergleichbares Grundsteueraufkommen.


[1] Quelle: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/faq-die-neue-grundsteuer.html, 1.2 Warum ist die Steuer so wichtig? (Stand: 27.05.2024)

[2] vgl. Jahresabschluss 2022 der Stadt Sprockhövel vom 25.04.2023, Seite 23 (https://www.sprockhoevel.de/service-und-verwaltung/finanzen/jahresabschluss-2022.pdf?cid=174)

Warum gab es überhaupt eine Reform der Grundsteuer?

Das Bundesverfassungsgericht hat das bisherige System der grundsteuerlichen Bewertung im Jahr 2018 für verfassungswidrig erklärt, da es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandele und so gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung verstoße. Es hat weiterhin entschieden, dass spätestens bis zum 31.12.2019 eine gesetzliche Neuregelung getroffen werden musste. Die Grundsteuer kann jedoch in ihrer bisherigen Form übergangsweise bis zum 31.12.2024 weiter erhoben werden. Ab dem 01.01.2025 wird dann die Grundsteuer auf Grundlage des neuen Rechts erhoben.

Die bisherige Berechnung der Grundsteuer basiert auf Jahrzehnte alten Grundstückswerten (den sogenannten Einheitswerten). In den westdeutschen Bundesländern werden die Grundstücke nach ihrem Wert im Jahr 1964 berücksichtigt. In den ostdeutschen Bundesländern sind die zugrunde gelegten Werte sogar noch älter, sie beruhen auf Werten aus dem Jahr 1935. Diese Einheitswerte werden mit einem einheitlichen Faktor, der sogenannten Steuermesszahl, und anschließend mit dem sogenannten Hebesatz multipliziert. Während die Steuermesszahl nach altem Recht bundeseinheitlich festgelegt ist, wird der Hebesatz – und damit letztlich die Grundsteuerhöhe – von den Städten und Gemeinden bestimmt. Da sich die Werte von Grundstücken und Gebäuden seit den Jahren 1935 und 1964 sowohl in den westdeutschen als auch in den ostdeutschen Bundesländern sehr unterschiedlich entwickelt haben, kommt es aktuell zu steuerlichen Ungleichbehandlungen, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundgesetz nicht mehr zu vereinbaren sind. Im Ergebnis hat sich die Einheitsbewertung von den tatsächlichen Werten der Immobilien entkoppelt. Das heißt, gegenwärtig können für vergleichbare Immobilien in benachbarter Lage erheblich unterschiedliche Grundsteuerzahlungen fällig werden.[1]


[1] Quelle: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/faq-die-neue-grundsteuer.html, 2.1 Warum musste die Grundsteuer reformiert werden? (Stand: 27.05.2024)

Wie wird die Grundsteuer nach der Reform berechnet?

Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat sich für die Anwendung des sogenannten „Bundesmodells“ entschieden.

Durch eine seinerzeit erfolgte Änderung im Grundgesetz wäre es für Nordrhein-Westfalen aber auch möglich gewesen, über eine sogenannte Öffnungsklausel eine hiervon abweichende landesgesetzliche Regelung für die Grundsteuer zu schaffen.

Einige andere Bundesländer haben dies gemacht und komplett abweichende Ermittlungen eingeführt (z.B. das Bodenwertmodell in Baden-Württemberg).

Andere Bundesländer haben lediglich abweichende Grundsteuermesszahlen (siehe Schritt 2 unten) eingeführt.

In Nordrhein-Westfalen ist beides nicht geschehen, es gilt das „Bundesmodell“.

Die Grundsteuer berechnet sich im Bundesmodell nach der folgenden Formel:

Grundsteuerwert (Schritt 1) x Grundsteuermesszahl (Schritt 2)= Grundsteuermessbetrag

Grundsteuermessbetrag x kommunaler Hebesatz (Schritt 3)= Grundsteuer

Bei der Berechnung ergeben sich die folgenden drei Schritte[1]:

Grundsteuerwert (Schritt 1)Der Grundsteuerwert des Grundstücks berechnet sich insbesondere auf Grundlage der folgenden Faktoren:
– Wert des Bodens (Bodenrichtwert)
– Mietniveaustufe der Stadt /Gemeinde
– Grundstücksfläche
– Grundstücksart
– Alter des Gebäudes
Grundsteuermesszahl (Schritt 2)Auf den Grundsteuerwert wird die sogenannte Grundsteuermesszahl als Faktor angewendet.

Diese ergibt sich aus dem Grundsteuergesetz (GrStG) und beträgt für:
Wohngrundstücke 0,031%
Nichtwohngrundstücke 0,034%
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft 0,055%

Für den sozialen Wohnungsbau sowie kommunales und genossenschaftliches Wohnen erfolgt ein Abschlag von 25% der Grundsteuermesszahl.
kommunaler Hebesatz (Schritt 3)Grundsteuerwert (Schritt 1) x Grundsteuermesszahl (Schritt 2) ergeben den sogenannten Grundsteuermessbetrag.

Auf den Grundsteuermessbetrag wird der kommunale Hebesatz (Schritt 3) als Faktor angewendet und so die Grundsteuer ermittelt.  

Der kommunale Hebesatz wird im Rat der jeweiligen Stadt bzw. Gemeinde festgelegt.

[1] Quelle: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ/faq-die-neue-grundsteuer.html, 1.3 Wie wird die Grundsteuer konkret berechnet? (Stand: 27.05.2024)

Welche Schritte sind bisher passiert?

Auf den Zeitpunkt 01.01.2022 (sogenannter Hauptfeststellungszeitpunkt) sind die Grundstücke neu bewertet worden.

Hierzu konnten den Finanzämtern ab dem 01.07.2022 entsprechende Feststellungserklärungen übermittelt werden. Die Abgabefrist endete zunächst am 31.10.2022, wurde dann aber auf den 31.01.2023 verlängert.

Die Finanzverwaltung NRW hat daran anschließend Feststellungsbescheide über den „Grundsteuerwert“ an die Eigentümer*innen verschickt. Hierdurch wird der Grundsteuerwert des Grundstücks auf den Zeitpunkt 01.01.2022 festgestellt (Schritt 1).

Ebenfalls hat die Finanzverwaltung NRW bereits sogenannte Festsetzungsbescheide über den „Grundsteuermessbetrag“ an die Eigentümer*innen verschickt. Hierdurch wird der Grundsteuermessbetrag auf den Zeitpunkt 01.01.2025 festgesetzt. Der Grundsteuermessbetrag ergibt sich aus dem „Grundsteuerwert“ (Schritt 1) und der „Grundsteuermesszahl“ (Schritt 2). Gleichzeitig hat die Finanzverwaltung NRW den „Grundsteuermessbetrag“ für die Grundstücke den Verwaltungen der Städte und Gemeinden mitgeteilt

Welcher Schritt steht für 2025 an?

Nachdem die Städte und Gemeinden in ihren Räten (Ende 2024) die Hebesätze für 2025 beschlossen haben, werden die Verwaltungen entsprechende Grundsteuerbescheide erstellen und an die Eigentümer*innen verschicken. Erst jetzt kommt es in diesem letzten Schritt 3 zu Zahlungsverpflichtungen der Eigentümer*innen gegenüber den Städten und Gemeinden.

Für Mieter*innen kann es sein, dass die Vermieter*innen gegebenenfalls bereits die Betriebskostenvorauszahlungen 2025 anpassen oder aber sich die Auswirkungen erst mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2025 in 2026 bemerkbar machen.

Was bedeutet das konkret für Sprockhövel?

Der Entwurf des Haushaltsplans 2025/2026 der Stadtverwaltung Sprockhövel vom 10.10.2024 sieht für die Haushaltsjahre 2025 und 2026 einen Hebesatz für die Grundsteuer A (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) von 250% und für die Grundsteuer B (bebaute und unbebaute Grundstücke) von 730% vor (davon entfallen 30% auf die Finanzierung der Straßenreinigungskosten).[1]

Diese Hebesätze entsprechen denen der vergangenen Jahre.

Die Neubewertungen (Schritt 1) sowie die Anwendung der Grundsteuermesszahlen hierauf (Schritt 2) führen dazu, dass sich für die Grundstücke einiger Bürger*innen ein höherer Grundsteuermessbetrag, für die Grundstücke anderer Bürger*innen hingegen ein niedrigerer Grundsteuermessbetrag als bisher ergibt. Die Ursache liegt insbesondere in der Neubewertung der Grundstücke auf den 01.01.2022, also den „Grundsteuerwerten“ (Schritt 1).

Folge in 2025 ist nun, dass jede und jeder Einzelne entweder mehr, weniger oder in etwa gleich viel Grundsteuer zahlt. Aufgrund der Berechnungssystematiken der „Grundsteuerwerte“ im „Bundesmodell“ war aber schon früh deutlich, dass sich nach der Neubewertung der Grundstücke insbesondere eine Belastungsverschiebung von Nichtwohngrundstücken hin zu Wohngrundstücken ergeben wird.

Bezogen auf die Stadt Sprockhövel würden bei der Beibehaltung der bisherigen Hebesätze (Schritt 3) insgesamt weniger Grundsteuereinnahmen anfallen. Die Umsetzung der Grundsteuerreform würde sich somit nachhaltig negativ auf die Haushaltsituation der Stadt Sprockhövel auswirken. Dies ist bei anderen Städten und Gemeinden ähnlich.

Damit jede einzelne Stadt oder Gemeinde insgesamt vergleichbar viele Grundsteuereinnahmen wie vor der Reform erzielen kann, gibt es Berechnungen, die zeigen, bei welchen Hebesätzen dies der Fall ist. Dies sind die sogenannten aufkommensneutralen Hebesätze.

Erste eigene Berechnungen der Stadt Sprockhövel hatten hierzu ergeben, dass für Sprockhövel dies bei einem Hebesatz für die Grundsteuer A (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) von 359% und für die Grundsteuer B (bebaute und unbebaute Grundstücke) von 776% der Fall ist.

Die Finanzverwaltung NRW ermittelte für Sprockhövel hingegen einen aufkommensneutralen Hebesatz für die Grundsteuer A (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) von 293% und für die Grundsteuer B (bebaute und unbebaute Grundstücke) von 736%.

Aufgrund der Unsicherheit und Unklarheit der verschiedenen Datengrundlagen schlug die Verwaltung bisher vor, die Hebesatzpunkte für die Grundsteuer A und B konstant zu halten.[2]

Dies würde jedoch bedeuten, dass die Stadt Sprockhövel ab 2025 auf Grundlage der eigenen Kalkulation jährlich insgesamt ca. 400.000 € weniger Grundsteuer einnimmt.[3]

Ergänzung nach der Ratssitzung vom 12.12.2024:

Bis zur Ratssitzung vom 12.12.2024 veröffentlichte die Stadtverwaltung Sprockhövel in einer sogenannten Änderungsliste zum Entwurf des Haushaltsplans 2025/2026 aktuellere Berechnungen zur Grundsteuer, nach denen jährlich statt der seinerzeit ermittelten 400.000 € insgesamt „nur“ ca. 50.000 € weniger Grundsteuer anfiele.[4]

Auf dieser Grundlage wurde daher im Rat der Stadt Sprockhövel mehrheitlich beschlossen, dem Vorschlag der Stadtverwaltung zu folgen und die Hebesätze für die Grundsteuer A (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) auf 250% und für die Grundsteuer B (bebaute und unbebaute Grundstücke) auf 730% (davon entfallen 30% auf die Finanzierung der Straßenreinigungskosten) – entsprechend der vergangenen Jahre – festzulegen.

Die Auswirkungen für die einzelnen Bürger*innen hängen, wie bereits beschrieben, im Wesentlichen von der Höhe der Neubewertung – also vom „Grundsteuerwert“ des jeweiligen Grundstücks – in Schritt 1 ab. Dabei wird es für einen Teil der Wohngrundstücke wertbedingt zu einer höheren Grundsteuer kommen.

Ein Antrag auf die Einführung sogenannter differenzierter Hebesätze wurde hingegen mehrheitlich abgelehnt. Die Thematik „differenzierte Hebesätze“ haben wir nachfolgend erläutert.


[1] vgl. Entwurf des Haushaltsplans 2025/2026 der Stadtverwaltung Sprockhövel vom 10.10.2024, Seite 31 (https://sprockhoevel.ratsinfomanagement.net/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZQ4cfQDmy2EGRncki_K8WbM8UvvFx1n7fhTBAsR62RoR/I_n_h_a_l_t_s_v_e_r_z_e_i_c_h_n_i_s.pdf)

[2] vgl. Entwurf des Haushaltsplans 2025/2026 der Stadtverwaltung Sprockhövel vom 10.10.2024, Seite 42 (https://sprockhoevel.ratsinfomanagement.net/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZQ4cfQDmy2EGRncki_K8WbM8UvvFx1n7fhTBAsR62RoR/I_n_h_a_l_t_s_v_e_r_z_e_i_c_h_n_i_s.pdf)


[3] vgl. Entwurf des Haushaltsplans 2025/2026 der Stadtverwaltung Sprockhövel vom 10.10.2024, Seite 9 (https://sprockhoevel.ratsinfomanagement.net/sdnetrim/UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZQ4cfQDmy2EGRncki_K8WbM8UvvFx1n7fhTBAsR62RoR/I_n_h_a_l_t_s_v_e_r_z_e_i_c_h_n_i_s.pdf)

[4] vgl. 2. Änderungsliste 2025 zum Entwurf des Haushaltsplans 2025/2026 der Stadtverwaltung Sprockhövel vom 10.10.2024 (https://sprockhoevel.ratsinfomanagement.net/vorgang/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZR4W-Cxgx2XU_SFN0cAh5vU)

Was sind in diesem Zusammenhang die sogenannten differenzierten Hebesätze?

Die Ergebnisse der Grundsteuerwertfeststellungen und der Grundsteuermessbetragsfestsetzungen auf den 01.01.2025 haben gezeigt, dass in einigen Kommunen private Haushalte zukünftig stärker im Rahmen der Grundsteuer belastet werden als die Eigentümer*innen von Nichtwohngrundstücken.

Die Finanzverwaltung NRW führt hierzu aus: „Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat am 04.07.2024 ein Gesetz verabschiedet, das ergänzend zur bisherigen Regelung die Möglichkeit einer Differenzierung des Hebesatzes für Wohn- und Nichtwohngrundstücke bei der Grundsteuer B (bebaute und unbebaute Grundstücke) vorsieht. Dadurch wird es den Kommunen freigestellt, diese Hebesätze – in Abhängigkeit von den räumlich strukturellen Gegebenheiten vor Ort – so auszutarieren, dass es nicht zu einer übermäßigen Belastung etwa der Eigentümerinnen und Eigentümer von Wohnimmobilien kommt.“[1]

Für die Grundsteuer B (bebaute und unbebaute Grundstücke) würden bei der Einführung „differenzierter Hebesätze“ somit unterschiedlich hohe Hebesätze für Wohngrundstücke auf der einen Seite und für Nichtwohngrundstücke auf der anderen Seite gelten.

Hierzu ist jedoch festzuhalten, dass es keine einheitliche Rechtsauffassung dazu gibt, ob die landesgesetzliche Regelung „differenzierter Hebesätze“ überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist.

Ein Gutachten vom 16.08.2024 im Auftrag der Finanzverwaltung NRW räumt die verfassungsrechtlichen Bedenken aus.

https://www.finanzverwaltung.nrw.de/system/files/media/document/file/drueen-krumm_gutachten_grundsteuerhebesatzdifferenzierung_16-8-2024.pdf

Ein durch den Städtetag Nordrhein-Westfalen beauftragtes Gutachten vom 24.09.2024 sieht hingegen erhebliche Risiken und stuft die Einführung differenzierter Hebesätze als hochriskant ein.

https://www.staedtetag-nrw.de/files/nrw/docs/Presse/2024/Staedtetag-NRW-Gutachten-Hebesatzdifferenzierung.pdf

Sämtliche Bürgermeister*innen des Ennepe-Ruhr-Kreises, auch unsere Bürgermeisterin Sabine Noll, hatten mit einem offenen Brief vom 29.05.2024 an das Ministerium der Finanzen NRW im Interesse der Mitbürger*innen appelliert, auf die „stärkere Belastung von Wohngrundstücken“ durch eine landesweite und einheitliche Regelung über eine Anpassung der Grundsteuermesszahlen (Schritt 2) zu reagieren, statt die Möglichkeit der Einführung differenzierter Hebesätze (Schritt 3) zu schaffen.[2]

Eine Anpassung der Grundsteuermesszahlen auf Landesebene ist ausgeblieben. Stattdessen hat jede Stadt oder Gemeinde individuell nun die Möglichkeit, über die landesgesetzliche Regelung differenzierte Hebesätze einzuführen.

Der Entwurf des Haushaltsplans 2025/2026 der Stadtverwaltung Sprockhövel vom 10.10.2024 sieht die Einführung differenzierter Hebesätze für Sprockhövel nicht vor.


[1] vgl. offener Brief der kreisangehörigen Städte des Ennepe-Ruhr-Kreises, vertreten durch ihre Bürgermeister*innen, an die Regierungsfraktionen im Landtag NRW und das Ministerium der Finanzen NRW vom 29.05.2024 (aus Pressemitteilung der Stadt Witten vom 29.05.2024 / https://www.witten.de/portal/pressemitteilungen/grundsteuer-reform–900000121-37500.html)


[2] vgl. https://www.finanzverwaltung.nrw.de/differenzierte-hebesaetze

Warum sind auch wir GRÜNEN Sprockhövel gegen die Einführung der differenzierten Hebesätze für Sprockhövel?

Wir GRÜNEN Sprockhövel teilen die Bedenken gegen die Einführung differenzierter Hebesätze aus den folgenden Gründen:

Es besteht ein viel zu großes Risiko, da unklar ist, ob die Einführung von differenzierten Hebesätzen verfassungsrechtlich zulässig ist. Die Folgen für die Stadt Sprockhövel sind daher überhaupt nicht abschätzbar.

Die landesgesetzliche Regelung versucht eine stärkere Belastung eines Teils der Wohngrundstücke, die sich vorrangig aus der Bewertungsmethodik (Schritt 1) ergibt, nicht etwa, wie durch die Öffnungsklausel im Grundgesetz zulässig, über die landeseinheitliche Anpassung der Grundsteuermesszahl (Schritt 2) „aufzufangen“, sondern wälzt die Entscheidung des Ob und des Wie auf jede einzelne Kommune ab. Ob ein solches „Auffangen durch die Hintertür“ über den Hebesatz (Schritt 3) verfassungsrechtlich überhaupt statthaft ist, ist alles andere als sicher.

Die Kommune, die sich für die Einführung differenzierter Hebesätze entscheidet, hat neben der Unsicherheit in der Rechtsanwendung zudem mit einer deutlichen Mehrbelastung durch Klageverfahren betroffener Bürger*innen zu rechnen.

Sollten die Klagen am Ende Erfolg haben, bestünde sogar das Risiko, dass rückwirkend für alle Grundstücke der niedrigere Hebesatz zur Anwendung kommen könnte und dadurch eine erhebliche finanzielle Belastung für den Haushalt der Stadt entstünde.

Ergänzung nach der Ratssitzung vom 12.12.2024:

In der Ratssitzung vom 12.12.2024 bezifferte die Stadtverwaltung auf Grundlage aktueller Berechnungen das entsprechende Ausfallrisiko für den Haushalt der Stadt auf circa eine halbe Millionen Euro pro Jahr.

Insbesondere aufgrund der unklaren Rechtslage und des erheblichen Risikos für den Haushalt der Stadt haben wir uns zum jetzigen Zeitpunkt daher gegen die Einführung differenzierter Hebesätze entschieden.

Zudem ist festzuhalten, dass unter die Gruppe der Nichtwohngrundstücke auch die Grundstücksart der sogenannten „gemischt genutzten Grundstücke“ fällt. Hierbei handelt es sich auch um solche Grundstücke, die bis zu 80% zu Wohnzwecken dienen und zum Beispiel nur im Erdgeschoss ein Ladenlokal haben.

Welchen Handlungsbedarf sehen wir GRÜNE Sprockhövel?

Gleichwohl halten wir die stärkere Belastung für einen Teil der Wohngrundstücke für bedenklich.

Die Ursache ergibt sich jedoch vorrangig aus der Bewertungsmethodik bei der Ermittlung der Grundsteuerwerte (Schritt 1). Diese hervorgerufene Wirkungsweise des vom damaligen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auf den Weg gebrachten „Bundesmodells“ war vermutlich nicht bezweckt, ist aber schon länger bekannt.

Ein rechtsunsicheres „Auffangen“ über differenzierte Hebesätze zwischen Wohngrundstücken und Nichtwohngrundstücken durch die einzelnen Städte und Gemeinden kann hier nicht die Lösung des Problems darstellen.

Die folgenden Handlungsalternativen sind denkbar:

1.) Eine erste Möglichkeit bestünde darin, dass der Bund in seinem Bundesmodell die Steuermesszahlen (Schritt 2) anpasst und so die stärkere Belastung für Wohngrundstücke korrigiert. Ein solcher Schritt ist aus unserer Sicht aktuell jedoch nicht erwartbar.

2.) Eine zweite Möglichkeit bestünde darin, dass das Land NRW die Öffnungsklausel des Grundgesetzes nutzt, um zumindest auf Landesebene die Steuermesszahlen (Schritt 2) anzupassen. Eine Umsetzung wäre zum 01.01.2026 realistisch. Dies fordern insbesondere die kommunalen Spitzenverbände.

3.) Die dritte Möglichkeit wurde von der NRW-Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen als einzige Fraktion im Landtag NRW bereits in 2020 vorgebracht.

So bestünde über die Öffnungsklausel im Grundgesetz auch die Möglichkeit einer abweichenden Ermittlung der Grundsteuer auf Landesebene. Baden-Württemberg hat zum Beispiel das sogenannte Bodenwertmodell eingeführt, welches sich ausschließlich am Bodenwert und der Grundstücksfläche orientiert und für Wohngrundstücke zudem einen Abschlag vorsieht. Dieses Modell ist zudem mit einem deutlich geringeren Bürokratieaufwand verbunden.

Der haushalts- und finanzpolitische Sprecher der NRW-Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Simon Rock, beschreibt zutreffend, dass sich die damalige Landesregierung aus CDU und FDP durch „Nichtstun faktisch für die uneingeschränkte Anwendung des Bundesmodells“ entschieden hatte. Nach den Landtagswahlen im Mai 2022 war es für die Umsetzung eines Bodenwertmodells bereits zu spät.[1]

Stattdessen musste das „Bundesmodell“ übernommen werden. In 2024 wurde dann die Regelung der „differenzierten Hebesätze“ auch unter einem gewissen Zeitdruck umgesetzt, mit allen zuvor beschriebenen Problemen.

Sofern hingegen ein Bodenwertmodell auch in NRW eingeführt werden soll, erscheint dies jedoch nicht vor der nächsten Hauptfeststellung zum 01.01.2029 realistisch, da es einen vollständigen Systemwechsel bedeuten würde.

Alle zuvor genannten Handlungsalternativen bieten jeweils Vor- und Nachteile, werden aber nicht auf kommunaler Ebene im Rat der Stadt Sprockhövel, sondern auf Landesebene (Nordrhein-Westfalen) oder gar auf Bundesebene entschieden.

Diese Ebenen tragen auch die Verantwortung dafür, die sich ergebende Belastungsverschiebung von Nichtwohngrundstücken hin zu Wohngrundstücken durch eine verfassungskonforme Gesetzgebung zu lösen und nicht durch die „Hintertür“ über eine differenzierte Hebesatzregelung zu korrigieren, deren Umsetzung alles andere als rechtssicher ist und dabei die kommunalen Verwaltungen mit den sich ergebenden Problemen und Unsicherheiten allein lässt.


[1] vgl. Simon Rock, MdL, „Einführung differenzierter Grundsteuerhebesätze in NRW zum 01.01.2025“ vom 15.07.2024 (https://simon-rock.com/einfuehrung-differenzierter-grundsteuerhebesaetze-in-nrw-zum-01-01-2025)